25 Jahre Freiwilligen-Zentrum Wiesbaden
Teil 8: 2009 – Engagementforschung auch für Wiesbaden, 10 Jahre FWZ, neue Projekte
Das 10-jährige Jubiläum des FWZ: Rückblick und Ausblick
Das 10-jährige Bestehen des FWZ in 2009 stand im Zeichen eines reflektierten Rückblicks auf die erste Dekade, war aber auch verbunden mit der Ausweitung von Aktivitäten, dem Start des neuen Projekts „Bürgersinn“, der Suche nach finanzieller Absicherung und dem (optimistischen) Ausblick auf neue Aktivitäten und Projekte.
Antrittsbesuche des neuen Vorsitzenden: Zum Kennenlernen von relevanten Personen, Einrichtungen und Strukturen des Bürgerengagements in Wiesbaden machte der neue Vorsitzende W. Pfeiffer schon in der 2. Jahres-hälfte 2008 eine ganze Reihe von „Antrittsbesuchen“, die er in 2009 fortsetzte. Insgesamt wurden dabei dem FWZ Anerkennung und wohlwollende Unterstützung zugesichert. Den Bekanntheitsgrad des FWZ zu steigern, stellte sich dabei als wichtiges Ziel für die Zukunft heraus (trotz zeitweise schon ausgiebiger Berichterstattung in der Lokalpresse). In den Gesprächen wurden auch die hohen Erwartungen an das FWZ deutlich, besonders auch von Seiten der kommunalen Politik. Gleichwohl waren für die Weiterentwicklung des FWZ Veränderungen notwendig: finanzielle Absicherung, Verbesserung der räumlichen Arbeitsbedingungen und der personellen Situation.
Engagementforschung: 3. bundesweiter Freiwilligensurvey und 1. Umfrage in Wiesbaden
Neue Aspekte kamen auch aus der Engagementforschung: Nach 1999 und 2004 wurde 2009 der 3. bundesweite „Freiwilligen-Survey“ durchgeführt. Von 20.005 Befragten waren 36 % freiwillig engagiert. Die Untersuchung lieferte differenzierte Ergebnisse zu vielfältigen Aspekten von Ehrenamt/Freiwilligenarbeit/bürgerschaftlichem Engagement und zu Veränderungen seit 1999 (Art und Ausmaß der freiwilligen Tätigkeiten nach Engagementbereichen, nach Altersgruppen, zum zeitlichen Ausmaß und Veränderungen im Zeitverlauf, zum Selbstverständnis, Motiven und Erwartungen, zu den organisatorischen Rahmenbedingungen, zur Internetnutzung im Engagement, zu Aufwandsentschädigungen („Monetarisierung“) und zu den Engagement-Potenzialen (noch) nicht Engagierter. Daraus wurden Verbesserungsbedarfe bei den Rahmenbedingungen und Konsequenzen abgeleitet. Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009.pdf
In Wiesbaden wurde 2009 die erste Erhebung und Analyse zum bürgerschaftlichen Engagement durch das Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik durchgeführt, verbunden mit dem Vorschlag, diese Um-frage alle 5 Jahre zeitlich parallel zum bundesweiten „Freiwilligen-Survey“(FWS) zu wiederholen, um Vergleiche mit der Situation in Wiesbaden ziehen zu können. Befragt wurden 1.002 deutschsprachige Wiesbadenerinnen und Wiesbadener ab dem 14. Lebensjahr. Die Umfrage fand als Computergestützte telefonische Befragung (CATI) in der Zeit vom 2. bis 11. Februar 2009 statt. Erhebung und Fragebogen wurden von der Abteilung Stadtforschung konzipiert, auch Auswertung und Analyse wurden dort durchgeführt, mit der Durchführung der Umfrage wurde ein externes Institut beauftragt. Der Bericht „Bürgerschaftliches Engagement in Wiesbaden. Umfrageergebnisse 2009“ enthält ausführliche Ergebnisse zu Art und Umfang des Engagements (Engagementquote: 35,6 %), zu Engagementbereitschaft und -Potenzialen, zu Informationsquellen für ehrenamtliches Engagement, zu Maß-nahmen zur Förderung und Unterstützung des Ehrenamts, zum Kenntnisstand über die Ehrenamtskarte und zu allgemeinen Einstellungen zu ehrenamtlichen Tätigkeiten. Im Anhang ist weiteres umfangreiches Datenmaterial zu wesentlichen Aspekten enthalten (Kreuztabellen) sowie der Fragebogen und die Grundauszählung. Wiesbadener Stadtanalysen 2009.pdf
Jubiläumsfeier: 10 Jahre FWZ
Das 10-jährige Bestehen des FWZ wurde am 6. Okt. begangen im Festsaal des Rathauses, mit inhaltlichen Beiträgen zu Rückblick, aktueller Situation und Perspektiven für die nächsten Jahre. Ca. 140 Personen waren der Einladung gefolgt, darunter Vertreter der Stadtpolitik und Verwaltung, der Kooperationspartner, zahlreiche – vom FWZ im Laufe der Jahre vermittelte -Ehrenamtliche sowie Freunde und Förderer des FWZ. Der Vorsitzende W. Pfeiffer gab zunächst einen Rückblick auf die 10-jährige Entwicklungsgeschichte und richtete Dankesworte an die vielen Personen und Organisationen, die die Aufbaujahre und die bisherige „Erfolgsgeschichte“ des FWZ geprägt hatten. Als Vertreterin der LH Wiesbaden betonte die Schuldezernentin R.-L. Scholz in ihrem Grußwort die Notwendigkeit des bürgerschaftlichen Engagements in der (Stadt-)Gesellschaft und dankte dem FWZ für die bisher geleistete Arbeit. St. Würz, Geschäftsführer der Landesehrenamtsagentur Hessen, hielt einen Vortrag zum Thema „Bürgergesellschaft im Werden“. Die FWZ-Geschäftsführerin Dr. S. Möllers beleuchtete die Entwicklungslinien des FWZ in den ersten 10 Jahren. Bei einem anschließenden Umtrunk und kleinem Imbiss gab es für alle Gelegenheit zum persönlichen Austausch (Die Reden von St. Würz und Dr. S. Möllers sind im Jahresbericht 2009 enthalten).
Neue Impulse für bürgerschaftliches Engagement in Wiesbaden
Das Angebot des Generali-Zukunftsfonds für ein gefördertes Projekt zur Entwicklung von Aktivierungsstrategien im Feld des Bürgerengagements wurde gern angenommen und als ein Gemeinschaftsprojekt der Wiesbaden-Stiftung, der VHS und des FWZ entwickelt. Ein Konzept für das Projekt „Bürgersinn“ wurde kooperativ abgestimmt, der gemeinsame Förderantrag positiv beschieden und mit einer halben Personalstelle ausgestattet. Am 1. Sept. 2009 starteten die Kooperationspartner unter der Projektleitung von Christiane Faude-Grossmann in 3 sehr unterschiedlich strukturierten Stadtteilen (Bergkirchenviertel, Bierstadt, Klarenthal). Das Projekt sollte (bei einer Laufzeit von 3 Jahren) neue ehrenamtliche Aktivitäten initiieren und fördern, durch Vernetzungen und Kooperationen tragfähige Strukturen bürgerschaftlichen Engagements in den Stadtteilen aufbauen und erproben und besonders durch generationenübergreifende Aktivitäten den sozialen Zusammenhalt stärken.
Das ebenfalls 2009 gestartete kleinere Projekt „Aktiv im Alter“ (gefördert vom Bundesfamilienministerium als Modellprogramm in 150 Städten), das Projekt „Alt trifft jung“ (auch seit 2009 in Kooperation mit dem Seniorenbeirat) und das schon früher gestartete Projekt „Seniorenkompetenzzentrum“ wurden mit dem Projekt „Bürgersinn“ verbunden, um noch stärkere Synergien zu entwickeln. Zudem startete 2009 in Wiesbaden auch das Projekt „Engagementlotsen“, ein Weiterbildungsangebot des Landes Hessen für Menschen in der nachberuflichen Phase mit dem Ziel, spezifische Wissensinhalte, Kompetenzen und Methoden (z.B. Projektmanagement) zu vermitteln und mit den beruflichen Tätigkeiten und persönlichen Lebenserfahrungen zu kombinieren und die E-Lotsen somit zu befähigen, auf freiwilliger Basis gesellschaftliche Verantwortung im Gemeinwesen zu übernehmen. Nach einer Informations-Veranstaltung und intensiver Öffentlichkeitsarbeit (Presseartikel, Flyer) nahmen 2009 13 interessierte Personen an der E-Lotsen-Ausbildung teil (mehrere 3-tägige Kompaktseminare, Praxisanteile in Wiesbadener Einrichtungen). Ein Teil der ausgebildeten E-Lotsen engagierte sich danach auch im Projekt „Bürgersinn“. An den beiden Klärungsseminaren hatten 2009 32 Personen teilgenommen.
Weitergeführt wurden in 2009 das Qualifizierungsprogramm für Ehrenamtliche (in 2009 15 Maßnahmen mit einem Förderbetrag von ca. 11.000 € und 348 Teilnehmenden), das Projekt „Mittendrin“ in Zusammenarbeit mit dem Studienzentrum der Hochschule RheinMain (früher Fachhochschule) mit 5 Studierenden, das Projekt „Soziales Lernen“ in Kooperation mit der Gutenbergschule (Wahlpflichtfach/Sozialpraktikum) mit 23 Schüler-innen und Schülern, die sich in 5 unterschiedlichen Altenheimen, 6 Kitas, einer Schule und einem Wohnpflege-haus jeweils 2 Stunden wöchentlich über 2 Schuljahre engagierten. Damit ergab sich 2009 insgesamt eine erhebliche Ausweitung von Engagement-Projekten für verschiedene Zielgruppen (Schülerinnen und Schüler, Studierende, ältere Menschen), in verschiedenen Stadtteilen und in verschiedenen Engagementbereichen.
Innovative Ansätze und strategische Kooperationen für bürgerschaftliches Engagement
Der Freiwilligentag 2009 wurde erstmals als „Service-Learning-Projekt“ für Studierende der Hochschule RheinMain durchgeführt. „Service Learning“ ist eine Lehr- und Lernmethode, die theoretische Inhalte aus dem Studium mit praktischen Aufgabenstellungen und gemeinnützigem Engagement verknüpft. 14 teilnehmende Studierende erhielten die Gelegenheit, Planung, Organisation und Durchführung des Freiwilligentags mit allen notwendigen Teilaufgaben zu übernehmen (z.B. Gewinnung von Sponsoren, Akquise von sozialen Einrichtungen und von Freiwilligen, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, Programm- und Ablaufplanung, Organisation des Abschlussabends, Abrechnung etc.). Am 19. Sept. wurden 16 Engagement-Projekte in 15 Einrichtungen angeboten, an denen sich 80 Wiesbadener Personen beteiligten. Am Abschlussabend wurden die Projekte mit Foto- und Videoaufnahmen vorgestellt, den Studierenden und teilnehmenden engagierten Personen wurde mit leckerem Essen und Unterhaltung und einer kleinen Verlosung gedankt. Dank an alle Engagierten gab es auch vom Sozialdezernenten der LH Wiesbaden, vom Hochschul-Präsidenten und vom FWZ-Vorsitzenden.
Nachdem sich auf Initiative des FWZ schon 2008 erstmals Vertreter von 11 Wiesbadener Einrichtungen getroffen hatten, fanden 2009 zwei weitere Treffen des „Runden Tischs Bürgerengagement“ statt. Der „Runde Tisch“ dient dem Informations- und Erfahrungsaustausch über Strukturen und Entwicklungen des bürgerschaftlichen Engagements in der Gesamtgesellschaft und auf der lokalen Ebene in Wiesbaden, der Entwicklung einer gemeinsamen Interessenswahrnehmung im Themenfeld „Bürgerengagement“ und der Entwicklung gemeinsamer Projekte und Kooperationen. Tagesordnung, Einladung, Moderation und Protokoll wuredn vom FWZ übernommen. Beim Treffen im März standen auf der Themenliste: die Planung und Organisation des Freiwilligentags, Ideen und Perspektiven für die Weiterentwicklung der Freiwilligenarbeit sowie Festlegungen für die Weiterführung des „Runden Tisches“ (Rotationsprinzip, Vorstellung der Freiwilligenarbeit in der jeweiligen Einrichtung, Struktur der Tagesordnung, Themenschwerpunkte, Organisation). Das Treffen im Okt. 2009 fand beim SkF statt, der sich mit seiner Freiwilligenarbeit vorstellte. Weitere Themen waren der Rückblick auf den Freiwilligentag, die Vorstellung des Projekts „Bürgersinn“, die Ergebnisse der Wiesbadener Erhebung zum Bürgerschaftlichen Engagement 2009. Der „Runde Tisch“ sollte sukzessive weiterentwickelt werden als eine tragfähige Arbeitsform, als ein offenes und gutes Forum für das Bürgerengagement in Wiesbaden, auch als Sprachrohr in die Bereiche der Stadtöffentlichkeit (lokale Medien) und der kommunalen Politik und Verwaltung.
Herausforderungen und Fortschritte in Bezug auf Ressourcen und Personal im FWZ
Raumprobleme und personelle Veränderungen waren auch 2009 zentrale Themen im FWZ. Das Raumproblem wurde wiederholt erörtert und beraten. Die VHS stellte dem FWZ ab Juni 2009 einen größeren Büroraum zur Verfügung, wofür der VHS ausdrücklich von allen Seiten gedankt wurde. Dr. Sabine Möllers beendete 2009 (nach über 8 Jahren Aufbauarbeit) ihre Tätigkeit als FWZ-Geschäftsführerin, um sich wieder archäologischen und kunsthistorischen Forschungen zu widmen. Christiane Faude-Großmann begann im Sept. 2009 als Leiterin im Projekt „Bürgersinn“. Das bewährte ehrenamtliche FWZ-Team von Maike Nicolin, Kirsten Zimmermann, Angelika Rossdeutscher-Schneider, Bettina Zerth und Else Keutmann setzte die vielfältigen Tätigkeiten der Beratung, Vermittlung und notwendigen Büro- und Verwaltungsarbeit engagiert fort.
Das „strukturelle Defizit“ des FWZ in puncto Finanzen betrug – trotz (geringer) Rücklagen und tatkräftiger Unterstützung des Fördervereins jährlich ca. 8.000 bis 10.000 €. Beim Besuch des Oberbürgermeisters im August 2008 war deutlich geworden, dass eine weitergehende finanzielle Förderung des FWZ durch die LH Wiesbaden über den Jahresbetrag von 8.000 € hinaus eher nicht, dagegen eine (jährlich neu zu beantragende) projektbezogene Förderung wohl eher möglich sei. Rückwirkend für 2008 und für 2009 stellte dann das Sozialdezernat – projektbezogen – jeweils 10.000 € zur Verfügung (nach Abschluss eines Zuschussvertrages mit Zielvereinbarungen), das Land Hessen für das Projekt „Engagement-Lotsen“ ebenfalls 10.000 € und für die Organisation und Abwicklung von Fortbildungen 4.000 €. Zusammen mit dem projektbezogenen Zuschuss der LH Wiesbaden für das Projekt „Seniorenkompetenzzentrum“ (3.500 €) und Spenden für den Freiwilligentag (1.950 €) ergab sich bei Gesamteinnahmen von 54.306 € und Ausgaben von 54.863 € (periodenbereinigt) nur ein geringes Defizit von -557 €. Mit der Ausweitung von Engagement-Projekten ergab sich dadurch auch eine größere Diversifizierung von Fördermittelgebern – auf dem aber weiterhin mühsamen Weg der zukünftigen finanziellen Absicherung (bei gleichzeitig steigendem administrativem Aufwand für Antragstellungen, notwendigen Sach-berichten, Verwendungsnachweisen etc.).
Reflexion über Errungenschaften und Herausforderungen nach 10 Jahren Aufbauarbeit im FWZ
Nach 10 Jahren Aufbauarbeit waren insgesamt positive Entwicklungstendenzen deutlich erkennbar: sukzessive Ausweitung der Engagement-Angebote, viele Kontakte und wohlwollende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem FWZ durch viele Personen und Organisationen (verstärkt auch mit etlichen Schulen), wachsende Anerkennung und Unterstützung durch Politik und Verwaltung, bessere Wahrnehmung des FWZ in der Stadtöffentlichkeit, dem bewährten und gut funktionierenden Qualifizierungsprogramm mit finanzieller Unterstützung des Landes Hessen und dem neuen Projekt zur Qualifizierung von „Engagement-Lotsen“. In der lebhaften Diskussion und Aussprache der Mitgliederversammlung wurden aber auch einige Grundprobleme thematisiert: der Vorschlag, noch mehr Ehrenamtliche für das FWZ zu aktivieren und den Zeiteinsatz effizienter zu gestalten – bei gleichzeitiger Notwendigkeit, dass Ehrenamtlichkeit auch Hauptamtlichkeit erfordert; die Notwendigkeit der weiteren Professionalisierung der Freiwilligenarbeit in Strukturen und Abläufen, die Problematik des „strukturellen Defizits“, das Spannungsverhältnis zwischen (geringer) institutioneller Grundförderung und (arbeits- und zeitaufwendigen) Bemühungen um projektbezogene Förderungen, die „extrem schmale Struktur des FWZ“ und geringe personelle und finanzielle Ressourcenverfügbarkeit und die Notwendigkeit, die FWZ-Arbeit für politische Gremien, Verwaltung und Öffentlichkeit transparent und nachhaltig deutlicher zu machen.